Ein Monat nach den Ausgangsbeschränkungen, die dem Coronavirus die Lebensgrundlage entziehen sollen, wird Wien ganz langsam wieder aufgesperrt. Kleine Geschäfte in der Innenstadt dürfen aufmachen, die Wienerinnen und Wiener dürfen – maskentragend und abstandhaltend – die öffentlichen Verkehrsmittel wieder benutzen, um wohin immer sie wollen zu fahren. Also auch „in die Stadt“, wie wir es bis vor wenigen Wochen so gern getan haben, zum Flanieren, Auslagenanschauen, Kaffeetrinken.
Ganz anders zeigt sich uns nun aber der erste Bezirk, als wir ihn verlassen haben. Am Stephansplatz keine Spur von den Touristen, die den WienerInnen ja auch immer ein bissl zuviel vorkommen, in der Kärntnerstraße keine Spur von den geschäftig Eilenden, denen man ihre Wichtigkeit schon am stramm zielgerichteten Gang ansieht. Keine Spur von Gemütlichkeit und Muße für einen kleinen Kaffee da, ein belegtes Brötchen dort. Nur wenige Menschen, gar kein Flair, zwischen den wenigen offenen Geschäften auch die ersten, die es nicht geschafft haben und nach dem Aufsperren gleich wieder für immer zusperren werden.
Freilich, die schöne Annagasse einmal an einem strahlenden Tag ganz für mich allein zu haben, ist ein Geschenk. Um den Preis des erzwungenen Stillstands der ganzen Stadt hätte ich darauf lieber verzichtet.
Dass es vor der Malteserkirche und sogar am Stephansplatz so intensiv nach Weihrauch riecht, als wär gerade eine Prozession vorbeigezogen, ist ein einmaliges Geruchserlebnis und doch befremdlich gerade deshalb, weil es dort „richtig“ nach etwas anderem riechen sollte – Imbissfett, Pferdeäpfel und ein bissl Auspuffgase.
In der Auslage der Aida am Beginn der Singerstraße steht noch ein Christkinderl und wartet auf die Frühlingsablöse. Der Osterhase ist dieses Jahr nicht vorbeigekommen, der musste wie wir alle daheim bleiben und mit den Hasen im gemeinsamen Haushalt feiern.
Schön ist es, das leere Wien und wartet drauf, wachgeküsst zu werden.